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Der rote Mantel muss im Schrank bleiben

2. Dezember 2020 | Von

Tradition: Die Nikolaus-Rolle fällt für Ralf Mittelbach wegen der Pandemie nach 19 Jahren erstmals flach.

Weinheim. Normalerweise haben der Nikolaus und all seine fleißigen Helfer in der Adventszeit alle Hände voll zu tun. Doch was ist in diesem Jahr schon normal? Und so kommt es, dass Ralf Mittelbach sein rotes Kostüm diesmal ungenutzt im Schrank hängen lässt.

Von Astrid Wagner

Dabei wollte er 2020 eigentlich sein 20-jähriges „Dienstjubiläum“ als Nikolaus feiern. „Eine blöde Situation ist das“, sagt er. Der Kommandant der Abteilung Stadt der Weinheimer Feuerwehr ist schon ein wenig traurig, dass er in den nächsten Tagen und Wochen keine Kinderaugen zum Glänzen bringen kann.

Kurz habe er überlegt, ein Online-Angebot zu machen, davon dann jedoch wieder Abstand genommen. Denn in diesem Falle hätte er den Rahmen entsprechend gestalten müssen, einen Raum weihnachtlich schmücken und vieles mehr – ein ziemlich großer Aufwand.

Premiere mit 19 Jahren

Ralf Mittelbach ist seit 2000 jedes Jahr ehrenamtlich als Nikolaus unterwegs. Es war wie so oft im Leben ein Zufall, der ihn dazu brachte, den weißen Rauschebart anzulegen. Eine damalige Kollegin bei der Stadt Weinheim habe ihn seinerzeit gefragt, ob er nicht für die Kinder der Carl-Orff-Grundschule in Sulzbach den Nikolaus mimen wolle. Die Kollegin selbst hatte ein Händchen für Deko, beim Friseur in Sulzbach bekam er seine Perücke und kaum hatte er sich versehen, überraschte er die ersten Mädchen und Jungen. Damals war er 19 Jahre alt.

„Danach hat es sich überschlagen“, sagt Mittelbach und lacht. Immer mehr Vereine hätten ihn angefragt. Schließlich legte er sich ein eigenes Kostüm zu. Wird ihm der ehrenamtliche Job als Nikolaus in diesem Jahr fehlen? Ralf Mittelbach muss nicht lange überlegen: „Ja, ich habe das schon immer sehr gern gemacht für die Kinder. Sie geben einem auch immer etwas zurück.“

Nikolaus mit Engelsgeduld

Viele schöne, berührende und auch lustige Geschichten hat er als Nikolaus miterlebt. Der Klassiker sind die „Dudus“, die viele Kleinkinder am Nikolaustag beim heiligen Mann gegen ein Geschenk eintauschen. Von den Schnullern trennt sich mancher Dreikäsehoch sonst gar nicht gerne. Und so handeln Mamas einen Deal mit dem Nikolaus aus. Das klappt ganz oft. Aber nicht immer. Mittelbach erinnert sich: Einmal hatte das Kind freudig den Dudu gegen ein Geschenk eingetauscht. Es dauerte ein Weilchen, bis dem Kleinen dämmerte, dass es eben den Trostspender seit Säuglingstagen leichtfertig aus den Händen gegeben hatte, und das Drama nahm seinen Lauf. Das Geschenk war mit einem Mal uninteressant. Nur allzu gern wollte es das wieder gegen den geliebten Schnuller eintauschen.

Mit viel Engelsgeduld sei es ihm dann jedoch gelungen, einen fairen Kompromiss mit dem Kind auszuhandeln, und die Tränchen versiegten, so Mittelbach.

Schön zu beobachten sei immer, wie sich die Größeren um die kleinen Geschwister kümmern, wenn der Nikolaus kommt. „Sie sind sehr darauf bedacht, dass das Kleine, auch wenn es ein Baby ist, auch etwas bekommt.“

Bei den Kindern vieler Feuerwehrkameraden hat er ebenfalls schon als Nikolaus an die Tür geklopft. „Das ist doch der Ralf“, wurde er das eine oder andere Mal enttarnt.

Dass Kinder ihm Gedichte aufsagen oder Lieder vorsingen, das sei in den vergangenen Jahren leider immer weniger geworden, bedauert der Nikolaus. Man merke schon, wo sich das Umfeld bemüht, den Kleinen die Vorweihnachtszeit schön zu gestalten, Traditionen zu erhalten, den Zauber dieser Zeit zu vermitteln, und wo nicht.

Nicht den Kaschperl spielen

Seltener geworden sind seine Engagements in Vereinen. „Das war oft nur noch eine Pflichtaufgabe. Die Kinder waren nur aufgeregt, welches Geschenk sie bekommen. Das will ich nicht mehr. Den Kaschperl will ich nicht spielen“, findet er kritische Worte.

Doch gebe es auch heute noch viele Eltern, die die Vorweihnachtszeit mit ganz viel Herzblut gestalten. „Das ist etwas ganz anderes als diese Massenveranstaltungen.“ Insbesondere für die Kinder findet er es schade, dass der Zauber der Vorweihnachtszeit mit seinen Weihnachtsmärkten in diesem Jahr ausfallen muss. „Es wird ein ganz anderes Weihnachten werden. Wir müssen aufpassen, dass nicht etwas verloren geht.“

Niemals Plätzchen essen

Einiges hat er gelernt in 19 Jahren ehrenamtlichen Wirkens als Nikolaus: niemals Plätzchen essen, wenn sie angeboten werden, denn das kann mit dem künstlichen weißen Rauschebart ziemlich tückisch werden. Im Laufe der Jahre seien Nikolaus-Geschenke immer größer und manchmal überdimensioniert geworden. Das findet Nikolaus Mittelbach alles andere als gut. „Man macht es oft größer, als es sein muss.“ Dabei freuten sich die Kinder meist auch über kleine Geschenke, über Mandarinen, Nüsse und einen Schoko-Nikolaus beispielsweise.

Allein schon, weil Mittelbach als Feuerwehrmann systemrelevant ist, muss er 2020 auf das Nikolaus-Dasein verzichten. Zu groß wäre die Gefahr, sich zu infizieren. „Wir hoffen, dass wir bald bessere Lösungen finden“, sagt er angesichts der Tatsache, dass Übungen und Ausbildungen der Floriansjünger nicht wie üblich stattfinden können.

Quelle: Weinheimer Nachrichten vom 02.12.2020