Um Ihnen ein bestmögliches Nutzererlebnis auf unserer Website zu ermöglichen, verwenden wir Cookies. Mit der Nutzung unseres Angebotes erklären Sie sich damit einverstanden. Weitere Informationen dazu finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

„Gegen Neugierige vorgehen“

21. Juni 2016 | Von

Weinheim/Bergstrasse. Sie halten mitten auf der Autobahn an, um sich einen Unfall anzuschauen, zücken im schlimmsten Fall sogar Smartphones und schießen Fotos von Verletzten oder gar Toten: Unfall-Gaffer.

Die Länderkammer des Bundesrats hat vergangene Woche eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, um diese Menschen härter zu bestrafen. Schon der Versuch, eine Unfallstelle zu fotografieren, soll strafbar sein. Außerdem soll es für die Polizei einfacher werden, Schaulustigen ihre Handys abzunehmen. Unsere Zeitung hat bei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst nachgefragt: Bringen härtere Strafen tatsächlich etwas? Sind Unfall-Gaffer auch in unserer Region ein großes Problem? Gibt es auch andere Möglichkeiten, um Neugierige von der Unglücksstelle fern zu halten?

Stadtkommandant Ralf Mittelbach von der Weinheimer Feuerwehr bezweifelt, dass sich das Gesetz im Rettungsalltag so einfach umsetzen lässt. „Wir können ja schlecht jemanden abstellen, der die Personalien der Gaffer notiert“, sagt Mittelbach. „Die Menschen sind nun mal neugierig und wollen wissen, was passiert ist. Und manchen ist gar nicht so richtig bewusst, dass er die Rettungsarbeiten behindert oder sich gar selbst in Gefahr bringt. Und manchmal bestrafen sie sich auch selbst – mit dem schrecklichen Anblick, der sich ihnen bietet.“ Sind Gaffer auch in Weinheim ein großes Problem? „Zum Glück ist es hier nicht die Masse“, sagt Mittelbach. Er könne sich im vergangenen Jahr an keinen Einsatz erinnern, bei dem seine Leute durch Gaffer behindert worden wären. Falsch geparkte Autos sind in Weinheim wohl eher ein Problem.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt die Pläne. Der Mannheimer GdP-Chef Thomas Mohr sagt: „Das Vorgehen gegen neugierige Gaffer ist eine zusätzliche und unnötige Aufgabe für die Beamtinnen und Beamten, die vor allem das Retten von Menschenleben unterstützen.“

Der Mannheimer GdP-Chef verwies darauf, dass jetzt bereits unbelehrbare Schaulustige, die Rettungsarbeiten schwer behindern, mit Platzverweisen bis hin zu Strafen rechnen müssen. Mohr kann sich auch bei der Bestrafung zum Beispiel bei Fahrerlaubnisinhabern ein Fahrverbot bis hin zum Entzug der Fahrerlaubnis vorstellen, wenn sie als Schaulustige wiederholt auffallen und mit dem Handy fotografieren oder Videoaufnahmen machen. „Unsere Polizisten müssen immer wieder gegen Neugierige vorgehen, die die Arbeit der Einsatzkräfte behindern“, sagt er.

Wichtigste Aufgabe der Beamten zum Beispiel bei Unfällen sei vornehmlich, den Unfallort abzusperren, Menschen aus den Gefahrenzonen zu bergen, einen Tatort zu sichern. Die Polizei ist dabei auch pausenlos im Einsatz, um auch Rettungskräften vor Ort so den Rücken für ihre Maßnahmen freizuhalten. „Das wir uns dann auch dabei um die Gaffer kümmern müssen bindet mehr Einsatzkräfte und erschwert die Arbeit der Polizei bei ihren Maßnahmen zusätzlich“, so Mohr.

Auch das Deutsche Rote Kreuz kennt das Gaffer-Phänomen. Aber: „Wir sind der Meinung, dass Strafen nicht zielführend sind. Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand und den Respekt gegenüber den Mitmenschen. Jeder sollte sich überlegen, dass er in eine Notlage kommen könnte und dann sicher nicht das Ziel von Schaulustigen sein möchte, die schlimmstenfalls auch noch die Rettungsarbeiten behindern. Es ist allerdings traurig, dass darüber nachgedacht werden muss gesetzliche Regelungen zu schaffen“, sagt Rettungsdienstleiter Andreas Schott vom DRK-Kreisverband Mannheim.

Seine Mitarbeiter sind im Umgang mit Gaffern geschult. „Sollte es durch Gaffer zu Störungen im Einsatzablauf oder zur Verletzung von Persönlichkeitsrechten kommen weisen unsere Mitarbeiter die Schaulustigen in aller Deutlichkeit darauf hin. In den allermeisten Fällen zeigen diese dann peinlich berührt Verständnis, nur in seltenen Fällen muss die Polizei zu Hilfe gerufen werden“, sagt Schott. vmr