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„Jeder Einsatz ist eine Extremsituation“

12. Januar 2017 | Von

Weinheim/Region. „Erste-Hilfe für die Seele war im vergangenen Jahr so gefragt wie noch nie“. Zu diesem Ergebnis kommt der Jahresbericht des Feuerwehr-Seelsorge-Teams (FST), das im gesamten Rhein-Neckar-Kreis im Einsatz ist. „Trotzdem wissen viele Leute nicht, was wir eigentlich tun“, bemerkt Edwin Fath vom Weinheimer FST am Montagnachmittag beim Pressegespräch im Feuerwehrzentrum. Neben Fath nehmen dessen Kameraden Tomas Knapp und Wolf-Dieter Wöffler, Pastoralreferent der Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg, sowie Stadtbrandmeister Reinhold Albrecht, sein Stellvertreter Andreas Schmitt und Ralf Mittelbach, Abteilungskommandant der Abteilung Stadt, an dem Gespräch teil.

181 Einsätze in 2016 sind Rekord

Statistisch betrachtet an fast jedem zweiten Tag rückten die Seelsorger im Jahr 2016 aus: 181 Einsätze bedeuteten einen neuen Rekord für den Bereich der psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Seit 2012 zeichnet sich damit in der Einsatzkurve ein eindeutiger Trend ab: Von 114 Einsätzen (2012) über 132 (2013), 159 (2014) und 173 (2015) haben die Zahlen von Jahr zu Jahr stetig zugenommen. Wöffler, der das FST Ende der 90er-Jahre gemeinsam mit Stadtbrandmeister Albrecht ins Leben rief, erklärt die steigenden Einsatzzahlen mit dem zunehmenden Bekanntheitsgrad des Angebots. „Die Akzeptanz, dass es das Team gibt, war nicht immer so da“, gibt auch Abteilungskommandant Mittelbach zu. Heute werde von der Einsatzleitung schon sehr frühzeitig entschieden, ob eine psychosozialen Notfallversorgung und damit die Anforderung des FST notwendig ist oder nicht. „Man kann die ehrenamtliche Arbeit des Teams gar nicht hoch genug honorieren“, lobt Albrecht.

Das Seelsorge-Team betreute im vergangenen Jahr exakt 1198 Bürger, worunter sich auch 232 Einsatzkräfte befanden. „Wer kümmert sich um die Betroffenen und wer kann sich um die Kameraden im Einsatz kümmern – das waren die Fragen, die wir uns bei der Gründung des FST gestellt haben“, erläutert Wöffler. Für das Team im Rhein-Neckar-Kreis sei die Zugehörigkeit zur Feuerwehr bindend, denn sie ist es, die der Notfall-Seelsorge den organisatorischen Unterbau bietet.

Trotz Erfahrung niemals Routine

„Für uns ist die gute Vernetzung mit Rettungsdienst und DRK ebenso wichtig, wie das Wissen darum, dass die Feuerwehr dahinter steht“, erklärt Tomas Knapp, der seit 17 Jahren Teil des Weinheimer Seelsorge-Teams ist. „Jeder Einsatz ist eine Extremsituation. Wir können nicht vorhersehen, was uns erwartet.“ Ihre Arbeit setze eine gewisse Lebenserfahrung voraus – niemand im Team sei jünger als 30 Jahre. Und auch wenn das Vorgehen der Helfer, so Knapp, nach einem gelernten Schema abläuft, ist es falsch von Routine zu sprechen.

Als ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit sei das tragische Doppelunglück am Abend des 23. November zu nennen. In Leutershausen wurde ein 18-Jähriger von einer OEG erfasst, während keine Stunde später ein 19-Jähriger am Bahnhof in Lützelsachsen verunglückte. Beide Unfälle endeten tödlich. Edwin Fath beschreibt den Einsatz so: „Wir wurden gerufen, weil wir die OEG-Fahrerin betreuen sollten. Als wir ankamen, war sie aber schon vom Rettungsdienst mitgenommen worden. Kurz darauf kam dann die Nachricht vom Schienenunfall in Lützelsachsen rein, wo unsere Aufgabe in erster Linie in der sekundären Betreuung bestand. Später am Abend haben wir gemeinsam mit der Polizei die Todesnachricht nach dem Unfall in Leutershausen überbracht.“

Professionelle Distanz aufbauen

Wie aber gehen die ehrenamtlichen Seelsorger selbst mit dem Erlebten um? „Es ist wichtig, eine professionelle Distanz aufzubauen“, erklärt Wöffler. Und ergänzt: „Wenn es einem zu nah kommt, springt jemand anders ein.“ Ohnehin seien die Seelsorger immer mindestens zu zweit im Einsatz – immer mit der Möglichkeit, die Anzahl aufzustocken. Bei einem Großereignis, wie dem Amokalarm im Viernheimer Kino, seien 20 bis 30 Seelsorger aus unterschiedlichen Gruppen vor Ort gewesen. Wöffler: „In einer Akutsituation ist es wichtig, den Menschen das Gefühl zu vermitteln, nicht alleine zu sein.“ Dabei sei es wichtig, für sich selbst die grundlegenden Fragen des Lebens und gleichzeitig den Umgang mit dem Tod geklärt zu haben. „Wenn wir in den Einsatz gehen, sprechen wir kaum“, berichtet Knapp. „Jeder weiß, was los ist.“

Nach den Einsätzen, die durchschnittlich drei bis vier Stunden dauern, sei es umso wichtiger im Kreis des Teams zusammenzusitzen, zu reden und das Geschehene zu reflektieren. Und danach? „Ich schreibe direkt den Bericht, dann gehe ich duschen und ins Bett. Damit ist der Einsatz für mich abgeschlossen“, beschreibt Knapp sachlich. Anders wäre eine Einsatzbereitschaft an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr kaum möglich. 2016 waren die insgesamt 32 Mitarbeiter des FST Rhein-Neckar wieder über 1000 Stunden im Einsatz und verbrachten zusätzliche 180 Stunden in Schulungen und Fortbildungen. „Ohne die ehrenamtliche Leistung unserer Einsatzkräfte wäre die Psychosoziale Notfallversorgung nicht auf diesem qualitativ hochwertigen Niveau zu halten gewesen“, heißt es in dem Jahresbericht abschließend.

Wer Interesse an der Arbeit im FST hat, kann per E-Mail an psnv@feuerwehr-rnk.de Kontakt aufnehmen. Für 2017 ist ein neuer Einführungskurs geplant.

Quelle: Weinheimer Nachrichten vom 11.01.2017/ Nicolas Lewe

Bild: Sascha Lotz

Infos zum Weinheimer Seelsorger Team