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„Als Retter gekommen, als Engel gegangen“

20. Juni 2023 | Von

Viele Freiwillige Feuerwehren zeigen ihre Trauer mit den im Einsatz getöteten Kameraden in Sankt Augustin mit geänderten Profilbildern. Das Bild stammt von der Facebookseite der Weinheimer Wehr. Feuerwehren: Tiefe Betroffenheit bei den Wehren an der Bergstraße und im Odenwald über Tragödie in Sankt Augustin

Region. Der Brand, bei dem am Sonntag zwei Feuerwehrleute in Sankt Augustin bei Bonn ums Leben gekommen sind, sorgt auch bei den Freiwilligen Feuerwehren an der Bergstraße und im Odenwald für große Anteilnahme und tiefe Betroffenheit. Viele Wehren haben spontan ihre Profilbilder in den sozialen Medien geändert, um ihre Trauer zu zeigen.

Weinheim: „Als Retter gekommen & als Engel gegangen“ – schreibt die Weinheimer Wehr auf ihrer Facebookseite: „Unser Beileid gilt den Familien der beiden Kameraden. Wir wünschen den Einsatzkräften viel Kraft. In Gedanken sind wir bei Euch.“ Für Ralf Mittelbach, Sprecher der Weinheimer Feuerwehr, ist das Geschehene irgendwie „immer noch unfassbar“. Jedem Feuerwehraktiven werde dabei schmerzlich bewusst, dass dieses Ehrenamt mit Gefahren für die eigene Gesundheit verbunden ist. Auch wenn die allermeisten Freiwilligen Feuerwehren gut ausgebildet und ausgerüstet seien, so bleibe immer ein Risiko. Im Rhein-Neckar-Kreis habe es zwar zum Glück schon lange keine Todesopfer unter den Einsatzkräften mehr gegeben. Aber spontan erinnert sich Mittelbach an eine Silo-Explosion in Worms, bei der 2008 eine 24-jähriger Feuerwehrmann getötet worden war. Verletzungen kämen im Einsatz leider immer wieder vor, wenn die Frauen und Männer der Feuerwehren ihren Dienst tun, so Mittelbach weiter. Im vergangenen Jahr zogen sich vier Aktive der Freiwilligen Feuerwehr Weinheim leichte Verletzungen im Einsatz zu.

In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2021 insgesamt 949 Angehörige von Freiwilligen Feuerwehren im Einsatz verletzt, drei Feuerwehrleute starben nach Angaben des Stuttgarter Innenministeriums. Die Jahresstatistik des Landes für 2022 liegt noch nicht vor.

Mörlenbach: „Das war total dramatisch, das beschäftigt uns sehr. Wir sind bei den Feuerwehrkollegen“, sagt Mörlenbachs Gemeindebrandinspektor Robert Gölz zu dem Brand in Sankt Augustin. Die beiden Helfer hätten einen „klassischen Atemschutz-Notfall“ erlitten – ein Szenario, das die Wehr regelmäßig in ihren Übungen behandle: „Wenn wir in einem Innenangriff sind, müssen wir draußen eine Sicherheitstruppe bereitstellen.“ Dieser zweite Trupp könne im Notfall Hilfe leisten. Und sei auch der Grund, weshalb oft so viele Einsatzkräfte vor Ort seien: „Das ist gesetzlich vorgeschrieben, bundesweit.“ Soweit es die Katastrophe in Sankt Augustin angeht, bemerkt Gölz: „Das ist etwas, woraus wir Lehren ziehen müssen. Möglicherweise stimmen wir unsere eigenen Sicherheitskonzepte darauf ab.“

Hemsbach: Betroffenheit über den Tod der beiden Einsatzkräfte aus Sankt Augustin herrscht auch bei der Freiwilligen Feuerwehr in Hemsbach. „Unsere Gedanken sind bei den Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Sankt Augustin in Nordrhein-Westfalen“, heißt es auf ihrer Facebookseite. Kommandant Joachim Steilen sprach von einem „dramatischen Ereignis“, das sich so Gott sei Dank in Hemsbach noch nicht abgespielt habe, das die Aktiven allerdings einkalkulieren müssten, wenn sie zu einem Notfall gerufen würden. „Jeder Atemschutzträger ist sich der Gefahr bewusst“, sagte Steilen. Der Kommandant will sich jetzt genau anschauen, aus welchem Grund die beiden Kameraden gestorben sind, und dies zum Thema in der Ausbildung machen. „Es ist schlimm genug, dass das passiert ist, wir müssen sehen, dass wir auch etwas daraus lernen.“

Die Atemschutzträger seien in der Regel darauf geschult, den „Rauch zu lesen“. An der Art des Rauches, auch an der Farbe könne man ablesen, ob eine Verpuffung drohe. Im Idealfall werde erst versucht, mit einer Wärmebildkamera zu messen, wie heiß es hinter einer verschlossenen Tür sei. Bei großer Hitze würden Türen und Tore nur einen Spalt weit geöffnet und es würde versucht, den Rauch mit Wasser zu kühlen, um eine Verpuffung zu vermeiden. In der Regel stehe auch ein Sicherungstrupp bereit, falls nicht gerade Personen im Inneren vermisst würden.

Die Atemschutzträger erhielten eine fundierte Grundausbildung. Jährlich müssten diese eine Belastungsübung unter realen Bedingungen in einem Übungscontainer absolvieren und erhielten zudem eine theoretische Unterweisung, erklärte Steilen weiter. Auch müssten sich diese in regelmäßigen Abständen arbeitsmedizinisch untersuchen lassen, um zu schauen, ob sie einem Einsatz körperlich gewachsen seien.

Keine Frage – das Unglück in Sankt Augustin ist auch in der Hemsbacher Wehr ein Thema. Steilen: „Es kommt jetzt darauf an, dass wir das gut aufarbeiten.“ pro/stk/maz

Quelle Weinheimer Nachrichten vom 20. Juni 2023